Das Fernwehkaufhaus



Jeder kennt es, der eine mehr, der andere weniger. Man will einfach mal etwas anderes zu Gesicht bekommen als das, was man täglich sieht. Auch wenn uns der gute Hannibal Lecter zu erklären versuchte, dass es genau die täglich gesehenen Dinge sind, die wir immer beginnen, zu begehren, so träumt doch jeder in seinem Innern hin und wieder ein wenig von der ungesehenen Ferne. Und das sicher nicht nur deshalb, weil wir uns manchmal in den heimischen Gefilden einfach nicht mehr wohl fühlen. Der Mensch ist ein Forscher und Entdecker. Und das wird sicher auch so bleiben. Es dauert schon noch ein wenig, bis wir nach unserem heutigen Verständnis der "Welt" alles mehr oder weniger "Begehrenswerte" entdeckt haben.

Das Fernweh ist also der Gegenspieler des häufiger in Erinnerung gerufenen Heimweh. Letzteres gilt bis heute immer als eine sehr positive Kraft, eine starke emotionale Erinnerung an eine heimatliche Geborgenheit, an den Ort unserer Geburt, unserer Jugend, unserer Familie - unseres Glücklichseins. Sollte das Fernweh nun eher als etwas Negatives betrachtet werden? Warum muss immer die vielbeschworene Heimat das Ziel unserer Glückseligkeit sein? Die Ferne ist etwas Unbekanntes, Neues, Aufregendes, vielleicht Gefährliches - und doch ist unsere Ferne letztlich immer auch die Heimat eines anderen. Deshalb ist das Fernweh sicher nichts Negatives. Auch wenn man sich nach der Ferne sehnt, weil einen seine Heimat vielleicht mehr als enttäuscht hat.

Folgen wir unserem Fernweh, tun wir das meist mit der sicheren Option auf Rückkehr in ein länger gewachsenes Zuhause. Wir haben auch nicht mehr die Schwierigkeit früherer vom Fernweh stark besessener Entdecker wie etwa des Herrn Kolumbus, dass man gar nicht so recht wusste, ob es überhaupt eine Ferne gibt. Heute verrät uns vorallem der Herr Google auf den Zentimeter genau, wo wir welche Ferne finden können. Mit immer aufwändigeren dreidimensionalen Visualisierungstechniken müssen wir womöglich bald die Ferne gar nicht mehr selbst aufsuchen - wir lassen sie einfach in einem riesigen Datenstrom zu uns kommen. Unromantische Vorstellung?

Heute geht man ins Internet, bucht schnell "in letzter Minute", löst noch ein paar Zalando Gutscheine ein, um die Reisegarderobe ein wenig aufzubessern - und ab gehts. Meist gefällt uns die Ferne dann auch und wenn wir nicht einfach da bleiben können, möchten wir wenigstens ein Stück davon mit in die Heimat nehmen. So als plastische Erinnerung, wenn die Flut der aufgenommenen Filme und Digitalfotos nicht ausreicht. Wir wollen ein Stück "Seele" der Ferne in unsere Heimat einfügen.

Das Fernwehkaufhaus soll es Menschen ermöglichen, ohne dem Fernweh mit einer Reise begegnen zu können, sich trotzdem dieses Stück "Seele" zu holen. Sicher ist es eine Art Selbstbetrug, aber für viele Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht reisen können, ist es ein Weg zu ihrer ganz eigenen Glückseligkeit, den Geist der Ferne in eine manchmal sehr erdrückende Heimat zu holen. Man muss sicher nicht immer direkt an einem bestimmten Ort sein, um dessen Wesen in sich aufnehmen zu können.

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